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Forschen, um Demenzkranken das Leben zu erleichtern

Interview mit Prof. Dr. med. Johannes Pantel, ICN Frankfurt

Der Inhaber der Frankfurter Stiftungsprofessur für Gerontopsychiatrie, Prof. Dr. med. Johannes Pantel, entwarf ein Forschungsprojekt, das seine Kooperationspartner an der Universität Heidelberg genauso überzeugte wie die in das Projekt einbezogenen Patienten und deren Betreuer und nicht zuletzt das Bundesgesundheits­ministerium. Bei dem Projekt geht es darum, die Kommunikation und Kooperation in der ambulanten Altenpflege zu fördern. Das Ziel ist es, die Lebensqualität demenz­kranker Menschen zu verbessern. Demenz ist die häufigste und folgenreichste psychiatrische Erkrankung im Alter.

Im Gespräch mit unserer ICNF-Newsletter-Redakteurin Nicola A. Mögel erläutert Johannes Pantel die Inhalte und Ziele des Projekts. Das Gespräch wurde im Oktober 2008 geführrt.

Redaktion: Glückwunsch, Herr Pantel, im Mai diesen Jahres erhielten Sie die Förderzusage für Ihre neueste Forschungsarbeit. Um was geht es konkret?

Pantel: Unser Projekt, das den etwas umständlichen Namen „Qualifizierungs­maß­nahmen zur Steigerung der Lebensqualität demenzkranker Menschen über eine Förderung der Kommunikation und Kooperation in der ambulanten Altenpflege“, kurz Quadem trägt, will durch praktische Hilfestellungen zur Förderung der Kommuni­kation und der Zusammenarbeit die Versorgung ambulant betreuter Demenz­patienten verbessern. Denn schließlich wollen ja alle Beteiligten, dass die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkten Demenzkranken weiterhin zu Hause wohnen können und nicht ins Heim müssen. Diesem Ziel hat sich übrigens auch das „Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“, das im Oktober 2007 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, verpflichtet.

Red.: An wen richtet sich Ihr Forschungsprojekt?

Pantel: Das Projekt richtet sich an sogenannte Pflegesysteme im gesamten Rhein-Main-Gebiet. Ein Pflegesystem besteht aus allen Personen, die direkt an der häuslichen Pflege eines demenzkranken Menschen beteiligt sind. Das sind neben den Betroffenen die Angehörigen, professionelle Pfleger eines ambulanten Pflege­dienstes und ehrenamtlich engagierte Personen. Wir wollen durch gezielte Quali­fizierungsmaßnahmen aller Beteiligten die Pflege effizienter gestalten, um die Kräfte, also Ressourcen, nachhaltig zu schonen. Es kommt nicht selten vor, dass pflegende Angehörige vor Erschöpfung ihrem Kranken nicht mehr helfend zur Seite stehen können. Dann kann der Demenzkranke nicht mehr umfassend zu Hause versorgt werden. Das wollen wir ändern.

Bei den Demenzkranken hoffen wir durch den gezielten Umgang mit den Kommuni­kations­störungen vorhandene Funktionen fördern und besser ausschöpfen zu können. Das Projekt verfolgt damit auch durchaus einen kurativen Ansatz.

Red.: Wer finanziert das Projekt?

Pantel: Unser Projekt konnte sich bei der vom Bundesministerium für Gesundheit ausgeschriebenen Initiative „Leuchtturmprojekt Demenz“ durchsetzen und wird vom Gesundheitsministerium mit 418.000 Euro gefördert. In dem bundesweit durch­geführten Verfahren wurden Projekte ausgewählt, die – laut Ministerium – zukunfts­weisend sind und die Erforschung, Diagnose und Therapie von Demenz­erkran­kungen nachhaltig voranbringen oder in der Versorgung demenziell Erkrankter eine Vorbildfunktion einnehmen. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und begann im Sommer 2008.

Ergänzend erhalten wir noch Mittel aus der Forschungsförderung des Bundes­forschungsministeriums sowie von diversen Stiftungen (u.a. der BHF Bank Stiftung und Krupp Stiftung) für unsere klinische Forschung und Grundlagenforschung. Bei der Demenzforschung wird eine parallele Entwicklung verfolgt: Zum einen wird auf der Seite der medikamentösen Behandlung und der Diagnostik nach Möglichkeiten zur Linderung der Krankheit gesucht und auf der anderen Seite geht es darum, die Qualität der Versorgung anzuheben. Hierfür werden Programme zur Verbesserung der Patientenversorgung entwickelt und evaluiert, ihre Wirksamkeit wird wissen­schaftlich untersucht und bei Erfolg können die Programme als Lehreinheiten in die Ausbildung der Altenpflegeschulen eingeführt werden.

Auch die Bundesregierung erwartet von den Leuchtturmprojekten, dass die Wirksamkeit der Programme wissenschaftlich nachgewiesen wird, und dass die Programme bei den Versorgungseinrichtungen umgesetzt werden. Wir kooperieren hier mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) der Regionen Südhessen und Nordbaden, dem Bürger­institut Frankfurt und dem Amt für Soziale Arbeit der Stadt Wiesbaden.

Red.: Mit wem arbeiten Sie in diesem Projekt noch zusammen?

Pantel: Quadem wird von vielen Partnern getragen. Die Projektleitung liegt bei mir und ist an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Johann Wolf­gang-Goethe-Universität Frankfurt/Main angesiedelt. Unsere wissenschaftlichen Koopera­tions­partner an der Universität Heidelberg sind das Institut für Gerontologie (Prof. Dr. Andreas Kruse) und die Sektion Gerontopsychiatrie (Prof. Dr. Johannes Schröder). Insgesamt sind an Quadem bis zu 13 Forscher und Forscherinnen beteiligt. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, die insgesamt etwa 600 Projektteilnehmer zu koordinieren. Das sind neben den Patienten deren Angehörige, die Pflegebetreuer und ehren­amtliche Helfer.

Red.: Sind die eingebundenen Demenzpatienten in der Lage, ihre Beteiligung an einem Forschungsprojekt zu verstehen?

Pantel: Unser Projekt wurde von der Ethikkommission geprüft und befürwortet. Jeder Teilnehmer wurde über die wissenschaftliche Untersuchung aufgeklärt. Doch es gibt in der Tat Patienten mit mittelgroßer oder schwerer Demenz, die unsere Erklärungen nicht mehr nachvollziehen können und nicht mehr einwilligungsfähig sind. In diesen Fällen sind die gesetzlichen Betreuer gefragt, im Interesse ihrer Schutzbefohlenen zu handeln. In Deutschland gibt es starke Schutzvorschriften für Patienten. In unserem Fall jedoch ist das Schädigungspotential für die Beteiligten verglichen mit einer Medikamentenstudie äußerst gering, während ein über den Gruppennutzen hinaus­gehender unmittelbarer Nutzen für die beteiligten Patienten wahrscheinlich ist.

Red.: Warum sind Sie Hirnforscher geworden?

Pantel: Mich interessierte schon im Studium die Frage, wie im menschlichen Gehirn Erkenntnisse entstehen. Wo ist die Grenze zwischen Körper und Seele? Zu Studienbeginn schwankte ich zwischen Psychiater und Neurologe. Jetzt befinde ich mich mit meiner Forschung an der Schnittstelle von neurobiologischer Grund­lagenforschung und Interaktion bzw. Kommunikation. Entsprechend interessieren mich auch die neurobiologischen Veränderungen, die z.B. Gedächtnisstörungen oder die selektive Wahrnehmung Demenzkranker hervorrufen. Um diese zu erforschen, benötigt man Erkenntnisse der Neurobiologie, der Psychologie, der Kommunikations­theorie und der Philosophie. Auch die Entwicklung unseres Kommunikations­förderungs­programms für Demenzkranke bezog Grundlagenwissen aus der pädagogischen Psychologie mit ein und musste den sozialpolitischen Diskurs im  Auge behalten.

Mir ist auch wichtig, dass meine Forschungserkenntnisse in der Praxis zum Tragen kommen. Daher lege ich bei Quadem großen Wert darauf, dass die Projekt­ergebnisse über das Projektende hinaus fest in der Versorgung der Demenzkranken verankert werden. Damit entsprechen wir auch den Vorstellungen des Bundes­gesundheits­ministeriums. Und es freut uns daher sehr, dass wir uns nächstes Jahr auf einer Tagung des Ministeriums als eines der vier Modellprojekte der insgesamt 28 Leuchtturmprojekte darstellen dürfen.

Red.: Herr Pantel, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Quadem.

Weitere Informationen zu Quadem unter:

www.quadem.de
www.gero.uni-heidelberg.de/forschung/quadem.html

Kontakt:

Prof. Dr. med. Johannes Pantel
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Heinrich-Hoffmann-Straße 10
60528 Frankfurt/Main
Tel: 069-6301-4095
info@quadem.de

Gemeinsame Publikation der Projektpartner:

Schönknecht P., Pantel J., Kruse A., Schröder J. (2005) Prevalence and natural course of aging-associated cognitive decline in a population based sample of „young-old“ subjects. American Journal of Psychiatry 172: 2071-77.

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